Mal wieder hat sich nicht viel verändert hier in Guatemala, das Wetter ist weiterhin super und ich höre aus der Heimat nur das der Winter dem Sommer einen heftigen Knockout in der 3. Runde gegeben hat. Ich hoffe ihr kriegt die Sonne auch noch, ich würde euch ja gerne etwas zuschicken aber ich glaube die Portokosten der göttlichen Post kann mein Konto dann doch nicht tragen.
Falls es euch beruhigen sollte, auch hier wird die Regenzeit kommen und auch hier merkt man jetzt schon ab und zu wie sich Wolken vor den eigentlich immerblauen Himmel schieben :)
Heute war ein sehr besonderer Tag im Heim Nuestros Pequeños Hermanos San Andres Itzapa, es ist großer Besuchertag! Das heißt, das die Kinder die noch eine Familie oder Familienangehörige haben, diese als Besucher empfangen können.
Diesen Besuchertag gibt es 2mal im Jahr. Klar, auch zwischendurch kommen mal Familienangehörige vorbei und bringen Süßigkeiten oder ähnliches mit, aber das sind dann eigentlich nur die Eltern oder Geschwister die in der direkten Umgebung wie Chimaltenango oder Guatemala-Stadt wohnen.
Für die Kinder sind es wohl die beiden schönsten Tage im Jahr, man merkt schon Wochen vorher, wie die Kinder ihre Hoffnung hochhalten das jemand kommt und die Vorfreude von Tag zu Tag steigt.
Für mich als Tío der Sektion San Antonio heißt das alles nur mehr Arbeit, ich habe eigentlich meine 4 freien Tage im Moment, aber am Besuchertag gibt es keine Ausnahme und jeder muss arbeiten.
Die Kinder und die Stimmung war den ganzen Tag angespannt, sie wollen auf nichts hören und sitzen quasi durchgehend auf heißen Kohlen.
Das Problem ist, dass die Kinder nicht wissen ob ihre Familien tatsächlich kommen, ob es die Mutter gerade nicht geschafft hat, keine Lust hat oder ihr die Anreise zu lang war. Aber jeder der Kinder betet darum, wenigstens 2 mal im Jahr seine Mutter oder seinen Vater in den Arm nehmen zu können.
Natürlich ist es für mich auch schwer die Eltern zu sehen, zu wissen was sie den Kindern angetan haben und trotzdem zu sehen wie sehr sie immer noch ihre Kinder lieben und die Kinder ihnen diese Liebe zurückgeben.
Also fing ich heute morgen um 7 Uhr mit der Arbeit an, ich ging in die Sektion runter und habe meinen Computer mitgebracht um einige Filme zu gucken, Ablenkung für die Kinder die wissen, dass sie keinen Besuch empfangen werden ist halt immer noch das beste. Gestern Abend habe ich dazu noch einen Kuchen für die Sektion gebacken und für einen Jungen dessen Mutter kommt und sie ihren Geburtstag heute hat. Ich backe an jedem Geburtstag einen Kuchen für das Geburtstagskind und er sagte mir, dass er keinen Geburtstagskuchen erhalten möchte sondern seinen Kuchen seiner Mutter schenken will. Natürlich habe ich bei einer solchen netten und liebevollen Geste nicht Nein gesagt. :)
Also wartete ich mit den Jungs in der Sektion und ab und zu kommt dann mal jemand rein und schreit den Namen vom nächsten Kind, dieses springt dann überglücklich und mit Herzrasen auf, zieht sich die schönste Hose an, putzt die Schuhe und sprintet hoch in die Besuchermenge um seine Mama oder seinen Papa zu suchen.
Der Besuchertag geht immer bis 2 Uhr Mittags, bis dahin müssen alle Besucher gekommen sein, in meiner Sektion gibt es 3 Jungs bei denen man weiß, dass sie keinen Besuch empfangen werden weil sie niemanden mehr ausserhalb des Dorfes haben, für diese 3 Jungs ist der Tag immer besonders schwer, daher muss man schauen, dass man sich mit ihnen besonders intensiv beschäftigt, mit ihnen spielt oder irgendwelche Aktivitäten unternimmt.
Es ist mein erster Besuchertag und mir wurde direkt klar, das es ein Tag ist, der zeigt wie groß die Schlucht zwischen den Emotionen sein kann, die eine Seite ist unglaublich froh ihre Familien zu sehen, die andere Seite unglaublich traurig das sie niemals Besuch empfangen werden oder die Familie einfach nicht gekommen ist, was glaube ich die größte Enttäuschung ist.
Heutige Schattenseite:
Es haben aus meiner Sektion von 14 Kindern genau 3 Jungs Besuch bekommen, das sind unglaublich schlechte und traurige Zahlen. Das hieß für mich, Kinder trösten, Tränen abwischen, den Geburtstagskuchen der für die Mama bestimmt war in der Sektion aufteilen und schauen das man die Kinder irgendwie ablenkt.
Ein absolut überkochender Topf an Gefühlen mit denen man dann umgehen muss und das größte Problem ist, dass die Kinder einen plötzlich als Papa ansprechen, man in eine Rolle reingesteckt wird, die einem eigentlich nur arbeitsmäßig bestimmt ist und sich aber trotzdem damit zurecht finden muss.
Keiner der Kinder weiß, warum die Familienangehörigen nicht gekommen sind, warum sie es dieses mal nicht geschafft haben oder ob sie das nächste mal auch nicht kommen. Um Punkt 2 Uhr platzt eine Blase der Hoffnung und Vorfreude und löst sich in Luft auf. Eine Situation die ich so noch nie miterlebt habe und mich jetzt schon unglaublich geprägt hat.
Ich merke wie ich immer dicker mit den Kindern werde, wie sie anfangen mich zu akzeptieren, mich zu lieben und ich sie nur noch als "hijo" (Sohn) anspreche. Ja, mir wird der Abschied am Ende des Jahres unglaublich schwer fallen und es werden sicherlich einige Tränen fließen :)
Nichst desto trotz, ich habe meinen ersten "Dia de visitas general" überlebt, es war hart aber gut und ich hätte niemals auf die Erfahrung verzichten wollen.
Morgen geht es mit dem mehr oder weniger Arbeitsalltag los, die Semana Santa fängt morgen an, sprich alle lokalen Tíos die aus Guatemala kommen haben Ferien und ich muss die Sektionsleitung übernehmen und mit 2 anderen Volontären die Woche auf die Kinder aufpassen. Mein Chef hat mich heute gefragt, ob ich nich in der Sektion "Juan el Bautista" arbeiten möchte, das ist die größte Sektion NPH's. 27 Chicos und alle im Alter von 16-18 Jahren, der Grund für die Frage war, weil es keinen Volontär in der Semana Santa in der Sektion gibt. Aber ich werde den Job nicht annehmen, ich muss erstmal die Semana Santa mit "San Antonio" überleben, danach schauen wir mal weiter :)
Also werde ich sicherlich nach der Semana Santa, also nach Ostersonntag nochmal Bericht über den Blog erstatten und wünsche euch eine schöne Osterzeit und schöne Feiertage und an alle die gerade Abitur machen viel Spaß beim LERNEN! :)
Entonces: ¿Quien verá por los niños?
Que se vayan bien y hasta pronto!
Ruben